Einige Anmerkungen zu den kinematischen Scheiben
Von Wolfgang Ludwig
“Etwa ab 1963 suchte ich nach Möglichkeiten, die Wahrnehmung des Betrachters zu strapazieren, um die Komplexität des Rezeptionsprozesses evident werden zu lassen. Ich eliminierte alle Buntfarben – insbesondere Spektralfarben –, die bis dahin in meinen Arbeiten eine zentrale Rolle gespielt hatten, und beschränkte mich auf Schwarz und Weiß. Ich konstruierte und malte kreisförmige radiale gleichstrahlige Systeme in schwarz auf weißem Grund und umgekehrt.
Obwohl es sich um rein statische Gebilde handelte, schienen die Systeme aufgrund optischer Phänomene, die in den Bereich der Kinematik gehören, nach wenigen Blicksekunden in eine langsame kreisende Bewegung zu geraten. Diese Drehung scheint im Uhrzeigersinn zu erfolgen und in einer gegenläufigen Drehung zurückzuschwingen. Mit dieser Drehbewegung korrespondiert eine Volumenillusion, bedingt durch die Gewohnheit des Auges, Wahrnehmung von Flächen in Raumwahrnehmung umzudeuten. Diese Quelle permanenter Vibration und Pulsierens erzeugt ein zusätzliches Phänomen: Ein schwacher orange-blauer Farbeffekt breitet sich vom Zenrum des Systems aus.”
In seinem Textbeitrag zur Publikation „Neue konkrete Kunst“ hat Eberhard Roters die kinematischen Scheiben „Visualisierungsdynamos“ genannt und ihnen eine ausführliche Beschreibung gewidmet.